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Die Panzer, die schon bald gegen die russischen Truppen hinwegrollen werden, scheinen auch über die Demokratie hinwegzurollen...

 

Nachrichtensendung "10 vor 10" am Schweizer Fernsehen am 24. Januar 2023: Deutschland habe sich, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz lange Zeit "zögerlich" gezeigt hätte, nun doch dazu durchgerungen, Kampfpanzer vom Typ Leopard an die Ukraine zu liefern. Reaktionen gäbe es von verschiedenen "Playerinnen" und "Playern", so zum Beispiel von der FDP-Sicherheitspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die den Entscheid sehr "begrüsse". Auch CDU-Chef Friedrich Merz zeige sich "zufrieden". Und der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, danke der deutschen Regierung für ihren Mut, fordere aber im gleichen Atemzug die baldige Entsendung von Kampfjets.

Gleichentags die "Tagesthemen" auf ARD: Auch auf diesem Sender wird, wen wunderts, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die so etwas wie die Siegerin des Tages zu sein scheint, interviewt. Sie spricht von einem "wichtigen Tag" für die Ukraine. Eingeblendet wird auch der polnische Ministerpräsident Mateus Morawiecki, der das bisher "zu zögerliche" Verhalten Deutschlands kritisiert. Zu sehen ist auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der von der Notwendigkeit spricht, schneller und schwerere Waffen an die Ukraine zu liefern. Für Amira Muhammed Ali von der "Linken" bleiben gerade noch vier Sekunden, in denen sie die Frage aufwirft, ob nun wohl bald schon deutsche Soldaten in der Ukraine kämpfen würden. Umso länger dann das Interview mit Oleksii Makeiev, dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, der sich über die wachsende Koalition von Ländern, die Panzer liefern wollen, sichtlich freut.

Und dann noch ZDF mit der Nachrichtensendung "heute". Im Trailer zur Sendung ist von einer nun in Gang gekommenen "Dynamik in der Kampfpanzerdebatte" die Rede. Wieder treten der polnische Ministerpräsident Mateus Morawiecki und der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf, die beide bezüglich Waffenlieferungen an die Ukraine auf entschlossenes Handeln der Westmächte drängen. Auch Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe, begrüsst den Entscheid, Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Amira Muhammed Ali von den "Linken" bekommt jetzt immerhin acht Sekunden und sagt, dass dieser Krieg gegen eine Atommacht auch nicht mit zusätzlichen Kampfpanzern zu gewinnen sei. Schliesslich wird aus Washington ZDF-Korrespondent Elmar Theressen zugeschaltet, der den republikanischen Abgeordneten Lindsay Graham zitiert, wonach der Moment für Deutschland gekommen sei, "zu glänzen und sich als Kraft für das Gute zu beweisen." Ein Wunder, dass nicht auch hier noch Marie-Agnes Strack-Zimmermann auftritt...

Zaghaft erwähnte die Sprecherin der ARD-"Tagesthemen", immerhin stünden 45 Prozent der deutschen Bevölkerung der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine ablehnend gegenüber. Eigentlich hätte sie noch erwähnen müssen, dass der Anteil der Befürworterinnen und Befürworter bei 44 Prozent liegt. Doch wenn immerhin die Hälfte der deutschen Bevölkerung eine ablehnende Haltung einnimmt, weshalb bekommen sie dann in den Fernsehnachrichten nicht auch die Hälfte der Sendezeit? Weshalb dürfen Stoltenberg, Strack-Zimmermann, Melnyk und Morawiecki und Makeiev minutenlang reden, die Vertreterin der "Linken" aber nur gerade mal ein paar Sekunden und Sahra Wagenknecht, Rolf Mützenich, Jürg Tödenhofer, Erich Vad oder Alice Weidel nicht einmal eine einzige Sekunde? Und weshalb erwähnt niemand den Aufruf an Olaf Scholz zum Verzicht auf eine Lieferung von Panzern, der unter anderem von Reinhard Mey, Alexander Kluge, Dieter Nurh, Gerhard Polt, Alice Schwarzer und Martin Walder initiiert worden ist und für den innerhalb kürzester schon eine halbe Million Unterschriften gesammelt worden sind? 

Lange habe ich geglaubt, die Medien in demokratischen Ländern würden unterschiedlich Meinungen innerhalb der Bevölkerung angemessen vertreten und einen gesellschaftspolitisch unentbehrliches Gegengewicht und Korrektiv zu Machtballungen in Politik und Wirtschaft bilden. Der gestrige Abend hat mich endgültig eines Besseren belehrt. Die Panzer, die schon bald gegen die russischen Truppen hinwegrollen werden, scheinen auch über die Demokratie hinwegzurollen...

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